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Experten entschlüsseln die Geschichte des Messerschmitt Flugzeugs Bf 109.
Von Andreas Hempfer Welche Geheimnisse verbergen sich in unseren drei Messerschmitt-Flugzeugen? Interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Technikhistorikern, Konservierungswissenschaftlern und Flugzeugrestauratoren erlaubt faszinierende Einblicke in die spannende und oft unklare Vergangenheit der altbekannten Großexponate. ###MORE### Seit einem Jahr stehen die Messerschmitt-Flugzeuge Bf 109 (Baujahr 1938), Me 163 (1944) und Me 262 (1945) im Mittelpunkt unserer Aktivitäten. Zur Zeit sind sie wegen der Sanierung der neuen Luftfahrthalle in der Flugwerft Scheißheim ausgestellt. 2019 kehren sie in die dann aktualisierte Ausstellung auf die Museumsinsel zurück. Neben der der luftfahrthistorischen Bedeutung wird dann auch der Kontext „Drittes Reich“ kritisch beleuchtet und die Objektgeschichte thematisiert. Die Maschinen kamen zwischen 1957 und 1965 ins Deutsche Museum. Durch intensive Recherchen gelangte ein sensationelles Foto unserer Bf109 in unseren Hände. Sie ist eines der ältesten und am besten erhalten Flugzeuge dieses Typs.
![Die Bf 109 mit „Legion Condor“-Anstrich von 1938. Schwach zu erkennen unter dem Cockpit ist der Schriftzug „Der eiserne Gustav“ sowie eine Micky Maus mit Revolver. Doch was zeigt die Abbildung auf der Motorverkleidung? Foto: Canario Azaola]()
Die Bf 109 mit „Legion Condor“-Anstrich von 1938 mit Schriftzug „Der eiserne Gustav“ sowie eine Micky Maus mit Revolver. Auf dem Foto klar zu erkennen sind eine Micky Maus mit Revolver und der Schriftzug „Der eiserne Gustav“, der sich wohl auf den bekannten Berliner Droschkenkutscher Gustav Hartmann (1859 – 1938) bezieht. Auf der Motorverkleidung erscheint eine rätselhafte Abbildung, von der der australische Luftfahrthistoriker Ken Merrick im Gespräch mit dem Verfasser vermutete, es handele sich um eine vermenschlichte Raupe, inspiriert von dem 1906 erschienenen Kinderbuch „Etwas von den Wurzelkindern“. Für uns Flugzeugdetektive heißt das: Ran an die Objekte und mit Hilfe der Restaurierungswissenschaften nachweisen, was wir an den Flugzeugen selbst noch nachweisen können. Vor allem die Bf 109 lädt zum Forschen ein: In ihrer Museumszeit ab 1960 wurde sie so häufig und willkürlich mit fiktiven deutschen Tarnmustern und Hoheitszeichen überlackiert, dass dem heutigen Besucher ihre enorme historische Bedeutung vollständig verborgen bleibt. Tatsächlich trug die Maschine zu keiner Zeit (in ihrem Einsatzleben) deutsche Hoheitszeichen. Sie kam im Spanischen Bürgerkrieg (1936 – 1939) als Teil der berüchtigten „Legion Condor“ zum Einsatz, einem Geheimverband der deutschen Wehrmacht, die dem späteren Diktator Francisco Franco zum Sieg verhalf. Neben anderen Kriegsverbrechen bombardierte diese Einheit auch Guernica. Pablo Picasso hat diese Stadt in seinem berühmten Gemälde verewigt.
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Die Bf 109 in ihrem heutigen Anstrich. Foto: Burkhard Domke Das Ziel unseres Teams um Dr. Marisa Pamplona-Bartsch (Deutsches Museum Forschungsinstitut), die Restauratoren der TU München, Dr. Catharina Blänsdorf, Annemie Danz und Alexander Grillparzer, sowie Hans Holzer (Kurator Historische Luftfahrt), Mathias Winkler (Metallrestaurator Flugwerft Schleißheim) und mir (Wissenschaftlicher Volontär Historische Luftfahrt), ist es, Reste des originalen „Legion Condor“- Anstriches der Maschine zu finden und dessen bislang unbekannte Farbtöne genau zu bestimmen. In einem nächsten Schritt prüfen wir, ob eine reversible, zerstörungsfreie Überlackierung des Flugzeuges mit ihrem Originalanstrich von 1938 möglich ist. Dies soll auch der Konservierung aller erhaltenen Farbschichten dienen.
![Dr. Marisa Pamplona-Bartsch und Mathias Winkler dokumentieren die Aufnahmen des Stereo-Mikroskops. Vor allem am Heck der Maschine findet man viele interessante Farbreste.]()
Restauratorische Detektivarbeit an der Bf 109 Die Lackproben werden in den kommenden Wochen im Labor der TU München in Kunstharz eingebettet und in mühsamer Arbeit geschliffen. So wird unter dem Mikroskop die Abfolge der Farbschichten sichtbar. Direkt am Flugzeug erhielten wir mit einem Stereomikroskop dreidimensionale Eindrücke der Farbschichten. Außerdem untersuchten wir mit Farbmessgeräten Stellen unter den Abdeckblechen und haben sie mit historischen Farbtafeln verglichen. Im Labor stellte sich heraus, dass die Maschine bis zu 22 Lackschichten aufweist.
![Catharina Blänsdorf und Alexander Grillparzer führten auch optische Untersuchungen mit Infrarotka-mera durch, um Nummern sichtbar zu machen, die möglichweise unter den neueren Farbschichten verborgen sind. Leider ohne Ergebnis. Foto: Maria Niklaus]()
Ebenso recherchieren wir die Geschichte des Raketenflugzeug Me 163 „Komet“ (Baujahr 1944). Über seine Geschichte vor dem Transport von England nach München im Jahr 1965 ist bisher nichts bekannt. Auf dem Typenschild in der Flugzeugnase fehlte unerklärlicherweise jede Beschriftung, daher ist keine Werknummer bekannt. Indizien deuten darauf hin, dass es sich um eine Maschine handelt, die 1945 von der Royal Air Force erbeutet wurde und mit welcher der bekannte britische Testpilot Eric Brown einen Landeunfall erlitt. Weitere Recherchen und Untersuchungen des Teams an Lack und Struktur der Me 163 können hoffentlich bald mehr Licht ins Dunkel ihrer Vergangenheit bringen.
![1965 wird unsere Me 163 in Biggin Hill, Südengland, in ein Noratlas-Transportflugzeug der Bundeswehr verladen und nach München geflogen. Wo war die Maschine zuvor und gab es eine Flugerprobung durch die Royal Air Force? Foto: Archiv Deutsches Museum]()
1965 wird unsere Me 163 verladen und nach München geflogen. Foto: Archiv Deutsches Museum
![Das Typenschild der Me 163 wurde gefunden, doch warum wurde darauf keine Werknummer einge-schlagen? Foto: Andreas Hempfer]()
Typenschild Auch unser Exemplar der Messerschmitt Me 262, des ersten in Serie hergestellten und einsatzfähigen Flugzeuges mit Strahltriebwerken, birgt noch viel Potenzial für neue Erkenntnisse zur Einsatzzeit der Maschine. Die hölzernen Vorrichtungen an den Flügeln wurden testweise mit zwölf der dafür vorgesehenen R4M „Orkan“-Raketen bestückt. Eine Kiste mit 47 (!) dieser ersten ungelenkten Waffen zur Bekämpfung alliierter Bomber befand sich - selbstverständlich entschärft - im Depot des Museums. Die Kombination der Exponate macht die Bedeutung der Me 262 als Vorläufer aller modernen Kampfjets deutlich, die bis heute Strahlantrieb und Raketenbewaffnung nutzen. Die Ausstellung rückt jedoch das Scheitern der Maschine als NS-„Wunderwaffe“ in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges in den Blick.
![Mathias Winkler bringt vorsichtig eine R4M „Orkan“-Rakete am Flügel der Me 262 an. Foto: Andreas Hempfer]()
Eine R4M „Orkan“-Rakete wird am Flügel der Me 262 befestigt.
![Der vollständig mit R4M „Orkan“ bestückte rechte Flügel der Me 262, wie er aktuell in der Flugwerft Schleißheim zu sehen ist. Foto: Andreas Hempfer]()
Der vollständig bestückte rechte Flügel der Me 262.
![Nur mit viel Fantasie sind hier Teile des Lilienthal Gleitflugzeuges zu erkennen, einem Meilenstein der Luftfahrtgeschichte. Es wurde für die langjährige Lagerung auf transportfähigen Platten fixiert. Foto: Andreas Hempfer]()
Überreste des Lilienthal Gleitflugzeuges. In Kürze wird unser Team die äußerst fragilen Überreste eines „Normal-Segelapparates“ untersuchen, den Otto Lilienthal selbst hergestellt und geflogen hat. Dieser wird ab etwa 2025 ein Highlight der wiedereröffneten Ausstellung über frühe Luftfahrttechnik darstellen. Wir werden geeignete Maßnahmen zur Konservie-rung ergreifen und neue Ausstellungsmethoden testen, damit wir dieses einzigartige Exemplar der Luftfahrtgeschichte erstmals nach fast 60 Jahren wieder der Öffentlichkeit präsentieren können. Die Luftfahrtabteilung und das Forschungsinstitut des Deutschen Museums danken an dieser Stelle den Mitarbeitern der TU München für ihre unermüdliche Unterstützung und ausgezeichnete Zusammenarbeit. Wir sind optimistisch, dass wir mit ihrer Hilfe den Besuchern des Deutschen Museums auch in Zukunft immer neue und spannende Geschichten und Fundstücke aus der Historie der Luftfahrt präsentieren können.
Andreas Hempfer ist wissenschatflicher Volontär im Ausstellungsprojekt "Historische Luftfahrt 1918 - 1945". Zuvor hat er ein Masterstudium in Geschichte und Kultur der Wissenschaft und Technik abgeschlossen. Sein Tipp für einen Besuch im Deutschen Museum: Natürlich die Flugwerft Schleißheim mit ihrer einzigartigen gläsernen Werkstatt, in der man die Arbeit unserer Flugzeugrestauratoren erleben kann! Gerade bis 2019 ist die Ausstellung und die Werkstatt der Flugwerft voll mit den Luftfahrt-Highlights der Museumsinsel und immer einen Besuch wert.